Auch wenn wir wissen, dass es nun mal dazu gehört: am Freitag zeigte sich uns wieder die traurige Seite daran, alte und kranke Tiere zu versorgen.
Wir mussten unsere Isländerstute Runa, deren genaues Alter wir nicht benennen können, die aber schon fast 30 Jahre auf ihren Ponyschultern trug, den Weg über die Regenbogenbrücke hinweg gehen lassen. Seit 2016 bereicherte sie unsere Tara-Familie und hielt uns mit ihrem Wesen eindeutig auf Trab. Denn Runa war das, was man einen typischen Isländer nennen kann. Sie war sturköpfig, eigensinnig und manchmal ein kleiner Rammbock. Wie Isländer es nunmal meistens sind. Aber auf der anderen Seite konnte sie wirklich zärtlich sein - wenn sie es wollte. Zwar musste Runa meistens mit dem Kopf durch die Wand rennen, wenn sie etwas wollte, oder vielmehr nicht wollte, aber im Gegensatz dazu war sie, beispielsweise wenn sie ihre abendliche Tablette bekam, so sanft wie man es sonst eigentlich nicht von ihr gewohnt war. Vielleicht hatte sie aber auch einfach wieder einmal trotz ihres direkt neben ihr hängenden Futternetzes das Gefühl, nicht genug zu Essen zu bekommen und dachte, es sei dort etwas doch noch viel leckereres Futterartiges in unseren Händen. Denn Zurückhaltung konnte sie besonders bei Futter wenig zeigen. Und so unsanft sie manchmal auch zum Menschen sein konnte, wenn sie Gras oder Ähnliches sah, so sehr liebte sie ihre tierischen Partner. Es gab diesen einen, dem ihr Herz gehörte. Unser Minko. Die beiden Füchse waren ein Herz und eine Seele, liebten sich sehr, standen ein Leben lang zusammen. Beziehungsweise sagen wir, sie standen Minkos Leben lang zusammen. Denn er ging Runa schon vor einigen Jahren den Weg voraus, den sie ihm gestern folgte. Nach Minkos Tod hatte Runa verschiedene andere Partner, die sie nach einer kurzen Eingewöhnungszeit in ihr Herz schloss und (meistens) genauso zärtlich mit ihnen umging. Zwar verstand sich Runa nicht mit jedem blendend, aber wenn sie jemanden als ihren Partner angenommen hatte, war es eine starke Verbindung. Asja, die vor zweieinhalb Monaten starb, war eine davon. Sie verzieh Runa, im Gegensatz zu ihrer darauf folgenden Boxennachbarin Helen, sogar den Mundraub durch den Zaun hinweg. Denn wie gesagt: Runas Ansicht nach könne man als echter Freund auch gut das Futter mit ihr teilen.
Doch eines der größten Merkmale Runas war ihre Angewohnheit, am ganzen Körper "eingestreut" in der Box zu stehen. Wenn sie sich wieder einmal genüsslich in die frischen Späne gelegt hatte, mit denen ihre Box eingestreut war, und sich darin womöglich auch noch wälzte, war ihr gesamter Körper daraufhin voller Späne - die sie aber auch nicht abschütteln wollte. So stand da also immer wieder die kleine Fuchsstute und guckte uns an - als hätte sie im Schnee gestanden und wäre eingeschneit worden.
Runa verkörperte lange Zeit das, was man Lebensfreude nennen kann. Sie freute sich, wenn sie ihre Freunde sah und brummelte sie schon von weitem an, riss sich gerne mal auf dem Weg zum Paddock los, um sich doch noch ein bisschen Gras sichern zu können. Und sie hatte ihren Spaß daran, an Ausritten teilzunehmen, wobei sie trotz ihrer eher kurzen Beine locker mit den anderen mithalten konnte.
Doch in letzter Zeit ging es Runa nicht besonders gut. Sie hatte einen Reheschub, musste eingegipst werden und besonders ihre Vorderbeine schmerzten. Über Wochen wurde versucht, ihr zu helfen - der Tierarzt kam immer wieder nach ihr schauen und sie erhielt die bestmögliche Pflege. Mel, ihre menschliche Begleiterin seit inzwischen mehreren Jahren, und auch Mary, die noch relativ neu zu uns gestoßen ist, sich aber auch liebevoll um Runa kümmerte, kühlten ihr regelmäßig die Beine, um ihr Linderung zu verschaffen. Und wir alle versuchten, ihr die Liebe zu schenken, die sie zum Gesundwerden brauchte. Noch vor Kurzem konnten die Gipse endlich entfernt werden und sie bekam am Donnerstag noch Klebebeschläge, um ihre Hufe zu schonen. Doch am Freitag lag sie dann auf einmal in ihrer Box und bewegte sich nicht mehr. Sie war in ihren geliebten Spänen eingeschlafen.
Liebe Runa. Du kleiner Rammbock. Es ist ganz komisch, nicht mehr Dein freches Gesicht zu sehen, wenn man in den Stall kommt. Merkwürdig, daran zu denken, wie wir am Donnerstag noch bei Dir standen und Dich gekrault haben, als Schmied und Tierarzt da waren.
Wie oft haben wir uns über Deine eigensinnige und störrische Art aufgeregt - aber wie gerne würden wir sie jetzt doch weiter erleben können. Vor allem Deine sanften Momente vermissen wir. Wir hoffen, Du kommst gut am anderen Ende der Regenbogenbrücke an. Asja und vor allem Dein geliebter Minko haben Deinen Weg geebnet. Folge ihren Spuren, Du triffst sie ganz bestimmt wieder. Und wir können uns so gut vorstellen, wie Minko und Du wieder aufeinandertreffen werdet. Euch anbrummelnd, wiehernd und freudig aufeinander zulaufend. Grüß uns Deinen wundervollen Fuchsfreund und auch unsere Asja - wir haben beide nicht vergessen. Und auch Dich werden wir nie vergessen, Runa.
Auf dass Du dort drüben genug Menschen zum durch-die-Gegend-zerren hast, genug Futter zum Verschlingen und Klauen, genug Freunde zum Knuddeln. Genug Gras, wovon Du jetzt endlich so viel fressen darfst, wie Du willst. Einen Minko, mit dem Du spielen kannst. Auf dass Du genug Späne zum darin Liegen und Wälzen hast, unser kleines Christmas-Horse, wie Du als "eingeschneites" Wesen manchmal genannt wurdest. Auf dass Du jemanden dort hast, der auch mal mit Dir ausreitet, sodass Du wieder mit gespitzten Öhrchen und flottem Schritt in den Wäldern herumgucken kannst. Oder auf dass Minko und Du Ausflüge wie diese zusammen macht. Wir hoffen, dass es Dir dort drüben gefällt, geliebte Runa. Vor allem aber: Auf dass Deine Beine und Hufe endlich ihre Leichtigkeit wiedergefunden haben. Mach es gut, Süße. Und als kleiner Ansporn: Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner. Dein Lebensmotto setzt sich fort!
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